Wer auf dem Schwannweg in Östringen an der steilen Lösswand vorbei den Bollberg hochsteigt, sieht nichts mehr vom Eis- und Bierkeller, der bis zum Beginn des 20.Jahrhunderts den Östringer Bierbrauern als Produktions- und Lagerstätte diente.
In der Bevölkerung besteht ein reges Interesse, Fakten zu dem unterirdischen Bauwerk zu erfahren zumal sich viele Gerüchte und Geschichten darum ranken. Die Anwohner verboten ihren Kindern in die Höhlen zu kriechen und schreckten sie mit Geschichten von Hexen und bösen Geistern, die darin hausten.
Die steile Abfahrt am Bauwerk vorbei nutzten die Kinder und Jugendlichen aus dem Oberdorf als Schlittenbahn. Mutige Schlittenfahrer suchten die Höhlung schon mal als Versteck mit der Freundin auf, um einen Kuss von ihr zu erhaschen. Die Jungen machten im Eingangsbereich ein Feuer aus Weinbergpfählen, um Würstchen zu braten. Sie rauchten auch die Efeu-Lianen als Mutprobe, und um vor den Mädchen anzugeben.
Dem städtischen Bauamt wurde das Treiben zu gefährlich und es ordnete an, die Eingänge zuzuschütten.  Die Familie Hoffmann ist die jetzige Besitzerin den 40 Ar großen Grundstücks, auf dem sich der Bierkeller befindet. Willi Hoffmann berichtete, wie notwendig diese Maßnahme
war.
Denn eines Abends  rückte eine Gruppe Jugendlicher mit Schaufeln und Spaten an, um einen Zugang zu graben. Im Keller sollte sich neben Munition auch ein Maschinengewehr befinden. In der Nacht vom Ostersonntag auf -montag 1945 soll ein Trupp deutscher Soldaten auf dem Rückzug vor der anrückenden alliierten Front im Keller genächtigt und Kriegsmaterial zurückgelassen haben.
Dieses Gerücht war falsch.
Tatsache ist aber, erzählte Hoffmann weiter,  am Tag vor dem Weißen Sonntag 1987, habe ihn sein Sohn Dominik nach Rostentferner gefragt, um sein Fundstück zu reinigen. Der Junge hatte die Granate einer Panzerfaust im Gestrüpp gefunden. Der Vater ließ das gefährliche Objekt mit dem Reichsadler drauf noch am selben Tag vom Kampfmittelbeseitigungsdienst aus Stuttgart abholen, der das völlig intakte Stück entschärfte.
Die Bezeichnungen Eiskeller und Bierkeller werden ohne Unterschied von der Bevölkerung für das  Bauwerk im Bollberg gebraucht. In Wirklichkeit handelt es sich aber um zwei Räume, einen Eis- und einen Bierkeller. Der Eiskeller liegt oberhalb, der Bierkeller tiefer. Ein schmaler Durchgang verbindet sie. Im Eiskeller wurde das im Winter gewonnene Eis in Schichten bis an die Decke gelagert, damit es bis in den Sommer hielt. Den Eingang verschloss eine schwere Tür, durch die man an die Treppe gelangte, die tief hinunter in den Keller führte.
Der etwa dreißig Quadratmeter große Raum war  an den Wänden mit Natursteinen ausgemauert; die tonneförmige etwa fünf Meter hohe Decke war mit Ziegelsteinen gegen das Erdreich isoliert.
Der Bierkeller hatte die gleiche Form und Ausstattung, war aber größer und hatte einen Abzug in der Decke. Ihn erreichte man über eine Zufahrt zur Anlieferung und zum Abtransport des Bieres und der zum Brauen notwendigen Ausgangsmaterialien, sowie des Feuerholzes. Das Bier brauchte während der Reifung eine möglichst gleichbleibende Temperatur, die das gelagerte Eis lieferte.
Durch Akten belegt ist, dass der Kronenwirt Johann Rothermel darin sein Bier braute und lagerte. Er belieferte Wirte in Rettigheim und Malsch.
Das Eis wurde am Eisweiher geschlagen. Er befand sich an der Mühlhausener-Straße beim Abzweig der Theodor-Heuss-Straße. Das flache Gewässer fror jedes Jahr zu. Die Kinder liefen Schlittschuhe darauf.
Der Bierkeller  wurde wohl schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts gebaut. Der "Goldene Becher" erhielt im Jahr 1712 von Bischof Hartard von Speyer das Schankrecht; der "Engel" 1717. Die Wirte brauten ihr Bier selber, schlachteten selber und versorgten die Gäste aus dem eigenen Garten mit Gemüse. Es ist anzunehmen, dass die Östringer Wirte den Bier- und Eiskeller gemeinsam
nutzten. Ob Anwohner darin verderbliche Nahrungsmittel lagerten, ist nicht überliefert. In der weiteren Umgebung sind diese mit Natureis betrieben "Kühlschränke" im Erdreich nur von Schlössern oder wohlhabenden Besitzern bekannt.
In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg begann die Zeit des Wiederaufbaus. Was lag näher als die Natur- und Ziegelsteine aus dem Bierkeller herauszubrechen und sie anderweitig zu verbauen. Baumaterial und alle anderen Güter gab es nur auf Bezugsscheine und die waren schwer zu bekommen. Die Ausmauerung im Eiskeller blieb erhalten. Mit der Erfindung der Kältemaschine wurde die Anlage überflüssig und wurde Anfang des 20. Jahrhunderts aufgegeben. (Bac)

 

Willi Hoffmann fotografierte seinen Sohn Dominik 1986 im teilweise verfüllten Eiskeller. (Foto: Archiv)

 

Dominik Hoffmann steht vor dem verschütteten Eingang zum Eiskeller (Foto: Bachstädter)